TU-Projekt erforscht Potenzial von Wärme aus Abwasser in Münster
26.06.2025

Die Wohnung ganz ohne Gas oder Öl günstig und klimaneutral heizen, und das nur mit Abwärme aus dem Kanal, die sowieso da ist – das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Technisch aber ist das längst möglich und wird vielerorts erfolgreich eingesetzt. Ein neues Projekt der Technischen Universität Darmstadt in Kooperation mit der Gemeindeverwaltung wird nun auch in Münster die Potenziale dieser Technologie erforschen. Ein erster Schritt sind Messungen mit speziellen Sensoren an mehreren Standorten im Kanal.
Kommunen in Deutschland sind laut dem Wärmeplanungsgesetzt (WPG) gesetzlich dazu verpflichtet, Pläne für eine klimaneutrale, kostengünstige und sichere lokale Wärmeversorgung zu erarbeiten. Kleinere Kommunen wie Münster (Hessen) haben dafür bis 2028 Zeit. Aktuell werden nach Angaben des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen noch rund 80 Prozent der Wärmenachfrage in Deutschland durch den Einsatz fossiler Brennstoffe wie Gas und Öl gedeckt, die aus dem Ausland bezogen werden. Wie stark und unvermittelt die Preise steigen können, ist in den letzten Jahren deutlich geworden.
Um sich künftig unabhängiger zu machen, sind alternative Methoden wie etwa Fernwärme oder die Nutzung von Abwärme aus Industrieanlagen oder Rechenzentren gefragt, die dazu noch umweltfreundlicher sind und den CO2-Ausstoß reduzieren. Doch nicht überall sind große Fernwärmeleitungen umsetzbar. Es gibt auch kleinere, dezentrale Lösungen, um Haushalte mit Wärme zu versorgen und dabei Abwärme zu nutzen, die ohnehin entsteht: zum Beispiel im Kanalnetz.
Kläranlage Münster nutzt die Technologie schon lange
Die Kläranlage in Münster ist selbst das beste Beispiel dafür, dass das funktioniert. Bereits seit 2013 wird das Gebäude CO2-neutral völlig ohne Gas oder Öl beheizt: „Für Heizung und Warmwasser setzen wir die Wärme des Abwassers ein, die durch ein Wärmetauschsystem nutzbar gemacht werden kann“, erläutert Kläranlagen-Leiter Ahmed El Makhtari. Nach dem gleichen Prinzip könnte man bestimmte Bereiche des Kanalsystems in Münster für die Beheizung von Privathaushalten und Firmen nutzen. Dabei kommt allerdings nicht jeder Kanalabschnitt infrage, denn es muss genügend Durchfluss geben, damit ausreichend Abwärme entsteht.
Mitarbeitende der TU Darmstadt haben im Rahmen des Forschungsprojekts bereits einige Knotenpunkte identifiziert, die sich eignen könnten. In einem ersten Schritt werden dort nun – unterstützt vom Team der Kläranlage – spezielle Sensoren im Kanal installiert. Diese liefern über mehrere Monate Messdaten.
„Wir wollen herausfinden, unter welchen Voraussetzungen es sich lohnt, die Wärme des Abwassers zu nutzen und wie angrenzende Gebäude diese nutzen können“ sagt Prof. Hans Joachim Linke von der TU Darmstadt. Gemeinsam mit europäischen Universitäten und Praxispartnern aus Graz, Turin und Cluj-Napoca (Rumänien) werden Lösungen entwickelt und auf ihren praktischen Einsatz geprüft. Finanziert wird das Projekt für die deutschen Partner durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der europäischen Forschungsinitiative DUT (Driving Urban Transitions).
„Ich freue mich sehr auf das Projekt und die Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt“, sagt auch Bürgermeister Joachim Schledt. „Münster ist als moderne Klimakommune neuen Technologien gegenüber immer aufgeschlossen. Wir brauchen auf dem Weg in die Klimaneutralität und zur Energiewende neue, pragmatische Lösungen, von denen unsere Bürgerinnen und Bürger profitieren. Unsere Kläranlage zeigt bereits, dass das Prinzip heizen mit Wärme aus dem Abwasser funktioniert. Daher bin ich auf die Ergebnisse der Kanal-Messungen sehr gespannt.“
Bildunterschrift: Unscheinbar und in Form einer kleinen Box – so sehen die Sensoren aus, die im Kanal installiert werden, um Daten zu erheben. Fotos: UHRIG Energie GmbH